Einfach mal den Puls fühlen

Gute Vorsätze zum neuen Jahr? Die waren noch nie mein Ding, denn wir alle wissen es doch nur allzu gut: spätestens Ende Januar sind sie alle wieder vergessen. Doch kurz vor dem Jahreswechsel las ich dann folgenden Satz:

»If you see nothing you could be grateful for, check your pulse.«

Zu gut Deutsch: »Wenn du nicht weißt, wofür du dankbar sein sollst, fühle deinen Puls!«

Ein einfaches Sätzchen, über das man leicht hätte hinweglesen können, das mich aber so magisch eingefangen hat, dass ich mir Gedanken zum Thema Dankbarkeit gemacht habe.

Wir alle streben nach dem mehr. Dem größeren Auto, dem besseren Gehalt, dabei vergessen wir jedoch oft, uns über die kleinen Dinge im Leben zu freuen und dankbar dafür zu sein. Zum Glück habe ich mich schon als Kind nicht mit anderen verglichen – womit ich meine Mutter übrigens in den Wahnsinn getrieben habe. Denn wenn sie zu mir sagte: »Schau doch mal, was für ein schönes geblümtes Kleid deine Freundin Ute anhat“ oder auch »Warum hast du nicht so gute Noten wie unser Nachbarssohn?“, habe ich nur mit den Schultern gezuckt, weil mich das so gar nicht interessierte. Vielmehr war ich froh, etwas ganz anderes zu sein: Ich selber!

Einer Buchfigur von mir habe ich den Satz in den Mund gelegt:

»Sie müssen versuchen, wieder an Ihre Kindheit anzuknüpfen und glücklich werden, so einfach ist das!«

Als ich diesen Satz dann bei der Korrektur der Druckfahnen wieder las, zuckte ich zusammen, denn leider vergesse ich dies auch nur allzu gerne. Genauso wie eine meiner wichtigsten Maxime: Nichts im Leben ist selbstverständlich!

Leider vernachlässigen wir das nur allzu oft, und das ist extrem schade, da es meiner Meinung nach sehr einfach ist, sich über Kleinigkeiten zu freuen. Es gibt so viele kleine Dinge, die mich begeistern. Erst diese Woche war ich zum „großen Jahres-TÜV“ bei einem Endokrinologen. Auf einen Termin in dieser Praxis in der Dortmunder City wartet man bis zu einem Jahr, mit vier Monaten lag ich da also sehr gut und war im Vorfeld schon dankbar. Der Professor, der mich dann untersuchte, war so, als ob ich ihn mir für ein Buch ausgedacht hätte: Grauhaarig, old school (und old age, nämlich Mitte 70), aber extrem witzig dabei und vor allem: er hatte Ahnung. Ein guter Start wie ich fand!

Da er mich wohl so nett fand, hat er dann bei der Blutuntersuchung überall ein Kreuzchen angeklickt, garniert mit dem wundervollen Satz: »In einer Anti-Aging-Klinik müssten Sie dafür jetzt sehr viel zahlen!« Das Ergebnis steht noch aus, ich lasse mich überraschen, ob der Prof. sein Anti-Aging-Versprechen einlösen kann.

Als ich anschließend über den Hansaplatz ging, auf dem noch das Gerüst des ‚größten Weihnachtsbaums der Welt: stand, sagte ich zu mir selber (ja, erwischt, ich führe manchmal Selbstgespräche): »Du bist schon ein echtes Glückskind und triffst immer die richtigen Leute zum richtigen Moment!«

Gekrönt wurde die Woche dann noch mit einem Besuch bei meiner lieben Freundin Martina, die in dem Haus an der Köttelbecke wohnt (einem Bach, der sich durch eine wunderschöne Blumenwiese in Dortmund-Scharnhorst schlängelt), das ich für mein letztes Buch als das Heim meiner Protagonistin zweckentfremdet habe. Es war zwar eisekalt, aber die Sonne schien, der Himmel war knallblau – und bei der Rückfahrt habe ich dann noch entdeckt, dass es eine Buslinie gibt, die mich von Tür zu Tür bringt. Es war ein rundum gelungener Tag, der mich mit Dankbarkeit erfüllte.

War es Zufall, dass gerade in dieser Woche, wo ich diesen Artikel schrieb, so viele tolle Dinge passierten? Nein, ich denke nicht, vielmehr hatte ich wohl ein besonderes Augenmerk darauf und ich werde zukünftig immer auf solche Dinge im Alltag achten.

Wir sollten es ruhig zulassen, uns in solch einem Moment zu verlieren, uns einfach aus dem Alltag fallen zu lassen und das Leben zu spüren. Dankbar für den Moment zu sein und auch dankbar zu sein, dass wir die Zeit haben, diesen Augenblick zu genießen. Umso wichtiger ist es, dass wir versuchen aktiv durch den Tag zu gehen und die Besonderheiten um uns herum wahrzunehmen.

Sie haben eine gute Freundin, der Sie alles anvertrauen können? Jeden Tag genug zu essen? Eine tolle Wohnung? Einen interessanten Job? Sie sind gesund? Haben eine liebe Familie und jeden Monat ein geregeltes Einkommen?

Wenn nur einiges davon zutrifft, dann ist das schon so viel mehr als der Großteil der Weltbevölkerung von sich sagen kann. Wir haben es so unglaublich gut hier. Wir haben die Chance unser Leben selbstbestimmt zu leben. Wir haben genügend Ressourcen, sind sicher und haben ein behütetes Umfeld. So viele träumen davon und wir müssen es einfach nur richtig nutzen.

Vieles nehmen wir als selbstverständlich hin, was es jedoch gar nicht ist. Und gerade wir Deutschen haben ja im Ausland den Ruf, uns um alles Sorgen zu machen, ‚German Angst’ ist ein fester Begriff in der englischen Sprache geworden. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich sorge mich auch sehr oft: Kommen genügend Aufträge rein? Werden meine Leser mein neues Buch mögen etc.? Das soll in diesem Jahr jedoch alles besser werden, was nun nicht heißen soll, dass ich auf meine alten Tage oberflächlich werden möchte (eine Charaktereigenschaft, die – neben Neid und Missgunst – auf meiner No-Go-Liste steht). Vielmehr habe ich mir vorgenommen, meine Chancen und Risiken klug und wohlüberlegt abzuwägen, auch mal etwas zu wagen (so habe ich mich vor kurzem auf deutsch-englische Übersetzungen „gestürzt“) – und wenn dann alles gut geht dies mit Dankbarkeit anzunehmen.

Dänemark-Mai

 

Der plötzliche Tod meiner Tante Christa zu Anfang diesen Jahres hat mir gezeigt, dass man auch die Menschen, die man am meisten liebt, nicht ewig an seiner Seite haben kann. Daher lassen wir jeden Augenblick mit ihnen genießen und vor allem: nichts ungesagt lassen, denn das bereut man, wenn es zu spät ist, am allermeisten.

Meine beiden vierbeinigen Freund Brandy und Amaretto werden dieses Jahr nun bereits 12, und ich bin sehr dankbar, dass sie noch bei mir sind. Brandy ist fit wie eh und je, Amaretto indes hat bereits so einige Zipperlein, die ich jedoch versuche mit den entsprechenden Nahrungsergänzungen im Zaum zu halten. Ein Spaziergang im Wald mit den beiden erfüllt mich immer mit tiefer Dankbarkeit und Freude.

Neujahr

 

Dankbarkeit – also vielleicht doch ein guter Vorsatz für 2017?

Es sieht ganz stark danach aus – Ende des Jahres sprechen wir uns wieder!

 

Kerzen Ela klein neu

 

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1 comment

  • Darlene Gruschewsky

    Hallo Valeska,

    der Tod deiner Tante Christa ist für dich wohl sehr schmerzlich in deinem Buch Blumen für ein Chamäleon hast du sie als resolute Dame dargestellt.
    Eine passage bleibt mir wohl für immer im Gedächtnis – halb gegarter Wohnwagen Casanova – .

    Mit lieben Grfüßen

    Darlene Gruschewsky

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